Nachhaltig und gesellschaftlich engagiert Aus einem Fahrrad wird innerhalb von sechs Wochen ein Lastenrad. Allein mit der Sonnenenergie werden Nudeln gekocht. Die Schüler*innen der 10. Klasse des Montessori Campus Berlin Köpenick und der Jugendschule Strausberg zeigen in der Großen Praktischen Arbeit 2022 Kreativität und gesellschaftliches Engagement.

15. November 2022


Innovative und gesellschaftlich relevante sowie nachhaltige Produkte – hergestellt von engagierten Jugendlichen der 10. Klassen. Sechs Wochen hatten die Jugendlichen des Montessori Campus Berlin Köpenick und der Jugendschule Strausberg Zeit, um sich intensiv mit ihren selbst gewählten Themen zu beschäftigen. Die Interessen und Herangehensweisen sind vielfältig. Dementsprechend abwechslungsreich gestalten sich die drei Präsentationstage im Rahmen der Großen Praktischen Arbeit – der Montessori-Abschlussarbeit. Eltern, Großeltern, Verwandte und Bekannte wurden eingeladen, um live dabei zu sein, wenn die Jugendlichen ihre Produkte vorstellen. Die großen beliebten Themenbereiche der Großen Praktischen Arbeit 2022 sind: Nachhaltigkeit und Gendergerechtigkeit – und haben damit einen ähnlichen Schwerpunkt wie die Großen Praktischen Arbeiten aus dem Jahr 2021.

Aus einer alten Satellitenschüssel und Spiegelfolie wird ein Solarkocher

Viel Platz und ein wenig Vorbereitungszeit braucht Vincent. Er zeigt uns, wie wir kreativ die Sonnenenergie zum Kochen nutzen können – einziger Nachteil: Es funktioniert nur, wenn die Sonne auch scheint. Aus einer alten Satellitenschüssel baut er einen Solarkocher. Wie genau das geht: Die Fläche wird gereinigt, Unebenheiten beseitigt und mit einer Spiegelfolie beklebt. Wenn der Spiegel nun Richtung Sonne gedreht wird, entsteht in der Mitte ein Brennpunkt. Vincent hat beim ersten Versuch einen Topf mit Nudeln und Wasser in den Brennpunkt gestellt. „Das Wasser im Topf hat gekocht, ich konnte Nudeln zubereiten und essen“ , freut sich Vincent und erzählt dem Publikum, dass „am Brennpunkt eine Temperatur von bis zu 230 Grad Celsius erreicht werden kann“.

Erika hat sich mit einem Thema beschäftigt, welches noch viel zu oft als Tabuthema behandelt und wahrgenommen wird. In ihrer Präsentation geht es um die Menstruation. „Jugendliche sollen sich mehr damit auseinandersetzen. Ich möchte, dass man das Thema an den Schulen nicht verstecken muss“, wünscht sich Erika. „In Schottland müssen öffentliche Einrichtungen Periodenprodukte kostenfrei zur Verfügung stellen. Das ist bisher das einzige Land, in dem es Pflicht ist. Es sollte überall so sein“, sagst sie. Einen ersten Schritt möchte Erika mit ihrem Produkt machen. Sie baut einen Binden- und Tamponspender aus Holz. Sie habe noch nie so viel Zeit in der Werkstatt verbracht und sei aus ihrer eigenen Komfortzone rausgegangen und habe viel mit Werkzeug gearbeitet. Am Ende hat sich der Aufwand gelohnt. „Ich habe selbst ein Produkt hergestellt, auf das ich sehr stolz bin und damit vielleicht auch etwas in der Gesellschaft bewegen kann“, zieht sie ein eigenes Fazit. Der Binden- und Tamponspender wird in der Mädchentoilette angebracht und soll dort als kostenfrei genutzt werden können. Die Campusleitung hat sich bereiterklärt, sich um die Finanzierung der Binden und Tampons und damit auch um die Befüllung des Spenders zu kümmern.

"Ich habe selbst ein Produkt hergestellt, auf das ich sehr stolz bin und damit vielleicht auch etwas in der Gesellschaft bewegen kann."

Rita dagegen hat sich mit Kleidung beschäftigt. Ihr Motto: „Upcycling – aus alt mach neu“. In ihrem theoretischen Teil spricht Rita über Fast und Fair Fashion. Sie zeigt dem Publikum auf, dass jeder die Wahl hat und seinen Beitrag leisten kann – gegen die Rohstoffverschwendung und für faire Löhne sowie angemessene Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. „Wir können uns informieren, woher die Kleidung kommt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde, bevor wie sie kaufen. Es gibt Tauschbörsen, Flohmärkte oder Second Hand-Shops. Wir können aber auch einfach weniger kaufen und unsere Kleidung selbst upcyceln“, zeigt Rita Alternativen zur günstigen Fast Fashion auf. Wie einfach das sein kann, macht sie direkt vor. Aus einer Jeanshose hat sie eine Tasche genäht. Die Hosenbeine werden abgeschnitten, die Löcher zugenäht und Streifen aus den Hosenbeinen werden zum Henkel der Tasche.

Auch an der Jugendschule Strausberg spielt Gendergerechtigkeit eine große Rolle. Amelie hat ihren Theorieteil dem Thema Feminismus gewidmet und ein Gemälde erstellt. Sie hat sich mit der Geschichte des Feminismus und aktuellen Debatten auseinandergesetzt. „Ich wünsche mir für die kommende Generation, dass Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Akzeptanz und Gleichwertigkeit eine Selbstverständlichkeit werden“, sagt Amelie hoffnungsvoll. Ihr Produkt ist ein Gemälde. Mit Acrylmalfarben hat sie ein Auge auf lila Hintergrund gemalt. In dem Auge ist die Spiegelung zwei sich küssender Frauen zu erkennen. „Lila ist die Farbe des Feminismus und die Idee hinter dem Auge ist die wortwörtliche Reflexion einer Sache“, erklärt Amelie die Idee hinter dem Gemälde.

„Ich wünsche mir für die kommende Generation, dass Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Akzeptanz und Gleichwertigkeit eine Selbstverständlichkeit werden“

Lieblingsgerichte starker Frauen

Rebecca hat sich in ihrer Arbeit intensiver mit starken Frauen beschäftigt und dem daraus entstandenen Buch auch noch einen eigenen Dreh verliehen. Die Leser*innen erfahren nicht nur Biografisches über bemerkenswerte Frauen, sondern können auch ihre Lieblingsgerichte zu Hause zubereiten – vielleicht um sich den Personen etwas näher zu fühlen oder einfach, um gut zu essen. In dem Buch hat sie 20 berühmte Frauen vorgestellt, ihre Lieblingsgerichte recherchiert, nachgekocht bzw. -gebacken und entsprechende Rezepte erstellt. Nun wissen wir auch, dass Maria Montessori eine Schwäche für Lasagne hatte und Emma Watson Zitronensorbet liebt. Wer nun kein Auto besitzt und trotzdem einen Großeinkauf für den besonderen Kochabend erledigen muss, für den hat Dorothea die Lösung. Innerhalb der sechs Wochen hat sie aus einem einfachen Fahrrad ein Lastend gebaut. Dafür hat sie nur 164 Euro investiert und viel über Fahrräder gelernt. Sie hat ein Fahrrad in der Mitte zerteilt, Bleche und Holzleisten zur Verlängerung der Querverbindungen montiert, die Lenksäule näher zum Sattel verlegt, damit diese wieder erreichbar ist und eine Kiste vor der Lenksäule angeschraubt. Ihr Fazit: „Alles lief anders als geplant, ich musste immer wieder spontan reagieren. Das bin ich aus Strausberg eigentlich gewohnt, aber anstrengend war es trotzdem.“

Spontanität, Flexibilität und Improvisation sind bei der Großen Praktischen Arbeit immer vorteilhafte Eigenschaften. Dazu gehört aber auch eine ganze Portion Selbstständigkeit, Disziplin und Motivation. Die Jugendlichen haben bewiesen, dass sie diese Eigenschaften besitzen und sind gewappnet für die Herausforderungen der Zukunft. Das Team der Montessori Stiftung Berlin wünscht Ihnen für diese alles Gute!