Katja Hübner ist seit Oktober 2021 neue Pädagogische Vorständin der Montessori Stiftung Berlin. Im Interview spricht sie über ihre Inspiration, sich für Bildung zu engagieren, über ihre Verbindung zur Montessori-Pädagogik und ihr Verständnis von Führung. Zuletzt war sie Pädagogische Schulleitung an einer Montessori-Schule in der Nähe von München. An der Schule war sie zuvor Lehrerin und hat dort die Mittelschule mit den Jahrgangsstufen von 5 bis 12 aufgebaut und konzeptioniert.

Du hast nach deinem Studium als Lehrerin an einer Montessori Schule gearbeitet. Mit welcher Inspiration bist du Lehrerin geworden?

Katja Hübner: „Ich wollte das deutsche Schulsystem reformieren. Ich empfinde das Schulsystem in Deutschland als schwerfällig und starr. Es ist nicht am Kind orientiert, sondern am Lehrplan. Ich wollte es anders machen und dieser Inspiration folge ich auch weiterhin.“

Wann und wie bist du auf die Montessori-Pädagogik gestoßen?

„Ich hatte in der 12. Klasse einen Deutschlehrer, dessen Freund an einer Montessori-Schule gearbeitet hat. So habe ich als Schülerin auch Montessori-Methoden kennengelernt. Wir sind den Trochäus beispielsweise durch den Schulhof gelaufen und haben die Rhythmik von Gedichten damit erlebt und gelernt. Das fand ich spannend.“

Zuletzt hast du eine Schule geleitet. Welche Erfahrungen aus der Arbeit als pädagogische Schulleitung haben dich geprägt?

„Meine wichtigste Erfahrung ist: Führung funktioniert nur empathisch – auf Basis von Vertrauen und Wertschätzung. In einer lebendigen Organisation kann ich nicht verordnen. Wenn ich in meiner Funktion als Leitung situativ reagiere, die beteiligten Personen mit einbeziehe, erreiche ich viel mehr. Es geht mir also um das Zuhören und Finden gemeinsamer Lösungen und Wege. Das macht meinen Führungsstil aus, der sich durch Teilhabe, Partizipation und Transparenz auszeichnet. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Ein Schulprofil lässt sich nicht durch Verordnung entwickeln. Ein Schulprofil entsteht in einem Miteinander, in einem Prozess. Da müssen alle eingebunden werden, sowohl die Schüler:innen und Eltern, als auch die Pädagog:innen und Leitungen. In der Zeit habe ich auch gelernt, dass Flexibilität und Improvisation hilfreiche Eigenschaften sind.“

Welche Werte der Montessori-Pädagogik faszinieren und begeistern dich?

„Das sind viele Dinge. Besonders begeistert mich die Selbstverantwortung. Aber auch das Lernen durch das Erfahren. Die Wertschätzung bzw. der wertschätzende Umgang miteinander. Die Selbstbestimmung: Dass Kinder lernen, selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu dürfen und lernen, zu argumentieren. Ganz wichtig ist mir auch die Demokratieerziehung und die Gleichberechtigung.“

„Ganz wichtig ist mir die Demokratieerziehung und die Gleichberechtigung.“

Die Gesellschaft entwickelt sich ständig weiter. In welchen Bereichen kann und sollte sich die Montessori-Pädagogik weiterentwickeln?

„Das ist ein heikles Feld. Es gibt die Auffassung, dass digitale Medien und digitale Erziehung bis Klassenstufe sechs nicht in den Klassenraum gehören. Die Montessori-Pädagogik wurde Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben. Die Menschen und die Gesellschaft haben sich seitdem weiterentwickelt. Auch die Montessori-Pädagogik muss sich dementsprechend weiterentwickeln. Das ist auch schon passiert: Es wurden beispielsweise neue Montessori-Materialien für die höheren Jahrgangsstufen geschaffen. Ein aktuelles Thema, das vor allem in der Bildung intensiv diskutiert wird, ist die Digitalisierung, dementsprechend sollte sie auch eine Rolle spielen. Das Kind steht im Mittelpunkt und wächst inzwischen anders auf, als es zur Zeit von Maria Montessori der Fall war. Daran müssen wir uns orientieren und uns in einem stetigen Reflexionsprozess bewegen.“