Welche Vision haben europäische Jugendliche von einer nachhaltigen und gerechteren Gesellschaft nach Corona? Seit 2010 nehmen Schüler:innen des Montessori Campus Berlin Köpenick an der European Democratic Action Week teil. Dieses Jahr diskutieren Schüler:innen aus Warschau, Ljubljana und vom Campus über ihre eigenen Vorstellungen von Demokratie, Gleichberechtigung und Bildung.

„Solidarität in Zeiten des Umbruchs“, lautet das diesjährige Motto der von der EU-Beauftragten des Bezirkes Treptow-Köpenick gemeinsam mit dem FEZ-Berlin durchgeführten Jugendbegegnung. Die Corona-Pandemie hat zu einem neuen Alltag geführt. Auch unsere gesellschaftliche Perspektive hat sich dadurch geändert. Welche Vision einer nachhaltigen und gerechteren Gesellschaft ergibt sich daraus aus der Sicht europäischer Jugendlicher? Darüber diskutieren die Jugendlichen am Montessori Campus Berlin (MCBK).

Interaktiver und lebensnaher Unterricht

„Das Schulsystem hat sich in den letzten 150 Jahren nicht verändert. Die Gesellschaft und die Technologie aber haben sich in der Zeit ständig weiterentwickelt“, meint eine Schülern aus Ljubljana. „Der Unterricht an den Schulen soll interaktiver werden“, wünscht sich eine Schülerin aus Warschau. „Und auch lebensnaher“, ergänzt eine andere Schülerin. „Ich weiß zum Beispiel wenig darüber, wie Banken eigentlich funktionieren“. In vielen Berufen benötigt man Wissen zum Thema Administration, „in der Schule erfahre ich darüber wenig“, bemerkt eine Schülerin vom MCBK. Einig sind sich die Jugendlichen auch darin, dass sie mehr über Ethik und Politik erfahren wollen. „Fragen über Parteien werden im Bekannten- und Verwandtenkreis fast nie objektiv beantwortet. Ich würde mir weitere Projekte zur politischen Bildung wünschen und mehr persönliche Gespräche mit Politiker*innen“, sagt die Schülerin aus Ljubljana.

„Nicht jeder kann in allen Fächern gut sein. Wenn ich in den naturwissenschaftlichen Fächern richtig gut bin und in Sprachen nicht so gut, dann kann ich eventuell kein Medizin studieren, weil die Noten in den Sprachen meinen Schnitt drücken“, bringt ein Schüler aus Warschau in die Diskussion mit ein. Die Jugendlichen sind der Meinung, dass man Informationen, die sie auswendig lernen und dann einfach wiedergeben müssen, nicht wirklich Lernen nennen kann. Ein Schüler des MCBK ist besonders begeistert von Projekten, in denen sie sich über Wochen hinweg mit einem Thema beschäftigen und dementsprechend Zeit haben, sich tiefer einzuarbeiten und darauf aufbauend eigene Ideen zu entwickeln.

Jeder kann die Welt verändern

Für das Thema Demokratie und Gerechtigkeit nimmt Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis Treptow-Köpenick, Ana-Maria Trăsnea, an der Jugendbegegnung teil. „Es geht darum, die Welt zu verändern“, sagt Trăsnea, „jeder hat die Möglichkeit dazu“. Trăsnea kommt gebürtig aus Rumänien, mit 13 Jahren kam sie nach Deutschland. Sie sprach kaum Deutsch und war in der Schule meist Einzelgängerin. Im gesellschaftlichen Engagement fand sie Erfüllung. Als stellvertretende Schulsprecherin organisierte sie Aktionen gegen Rassismus und Jugendaustauschprogramme. Sie war begeistert von den Möglichkeiten, sich in Deutschland einzubringen und etwas zu verändern. Als Schülerin hat sie selbst an der European Democratic Action Week teilgenommen.

Die Frage, wie die Jugendlichen bereits selbst die Welt verändern oder verändern können, bringt die Schüler:innen zum Nachdenken. Einige schütteln den Kopf und meinen, sie könnten keinen aktiven Beitrag leisten, da sie politisch nicht aktiv seien. Trăsnea erinnert daran, dass man auch im Kleinen die Welt verändern könne – in der Schule oder mit Aktionen in der Nachbarschaft. Es beginne auch schon damit, „nein“ zu sagen, wenn jemand etwas Rassistisches sagt. „Es geht darum, seine eigene Stimme zu erheben“, ermutigt Trăsnea. „Wenn dir ein Thema wichtig ist, dann setz dich dafür ein. Dazu gehört auch, gelegentlich auf Ablehnung zu stoßen.“.

Auch die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist ein wichtiges Thema. Trăsnea berichtet davon, dass Abtreibung in einigen Ländern verboten ist. Eine slowenische Schülerin teilt ihre Erfahrung, dass ihr immer wieder Männer begegnen, die der Meinung seien, Frauen könnten keine Leader sein, da sie dafür nicht gut genug wären. „Frauen werden viel zu oft unfair behandelt“. Damit kehrt die Diskussion zurück zum Thema: Was würdet ihr tun, um die Welt zu verändern?

Schüler*innen sollen für ihre Ideen kämpfen

Dazu hat inzwischen jeder eine Idee: „Sexualisierter Gewalt den Kampf ansagen“, „Innovationen in der Industrie fördern“, „intensivere Zusammenarbeit von Universitäten und Technologie“, „klimaneutraler Umbau der Wirtschaft“.

Trăsnea will mit ihrem Beitrag zur European Democratic Action Week erreichen, dass sich die Schüler*innen nicht ohnmächtig fühlen, für ihre Ideen kämpfen und sich der Teilhabe in der Gesellschaft bewusst sind. „Vielleicht gehe ich später mal in die Politik“, sagt eine Schülerin am Ende des Tages. Alle Schüler:innen wirken motiviert. Sie haben ihre eigenen Pläne, wie sie die Welt verändern können.