Christian Grune war von Dezember 2014 bis November 2021 verantwortlicher Vorstand für den Bereich Pädagogik der Montessori Stiftung Berlin. Im Interview spricht er über Führung und Freiraum, die Weiterentwicklung der Montessori-Pädagogik in den letzten Jahren und den positiven sowie negativen Folgen durch die Corona-Pandemie. Zum 1. Dezember 2021 hat er die Montessori Stiftung Berlin verlassen und seine Aufgaben an die neue Pädagogische Vorständin Katja Hübner übergeben.
14. Dezember 2021
Von Dezember 2014 bis Dezember 2021 warst du Pädagogischer Vorstand der Montessori Stiftung Berlin. Zum 1. Dezember hast du deine Aufgaben komplett an Katja Hübner als deine Nachfolgerin übergeben. Was hat dich in deiner Zeit als Vorstand motiviert? Was war dein Antrieb?
Christian Grune: „Die Unabhängigkeit als Kerngedanke von Montessori war der rote Faden. Und hier auch mitzudenken: Was hat Maria Montessori in ihrer Pädagogik gewollt? Das habe ich immer wieder hinterfragt und versucht umzusetzen. Mit der Frage der Absicherung von Unabhängigkeit, dem Ermöglichen von Eigenständigkeit habe ich auf unterschiedlichen Ebenen zu tun gehabt – das war hoch spannend: Freiräume schaffen und erhalten, aber auch den Einrichtungen den Rücken freihalten, damit sie die Montessori-Pädagogik und reformorientierte pädagogische Konzepte selbstständig umsetzen können. Das war ein starker Motor in meiner Arbeit.“
Du warst national und international mit anderen Montessori-Organisationen im Austausch und immer an neuen Entwicklungen interessiert, hast die Montessori Oberstufe Berlin sowie die Jugendschule Strausberg – als außerschulischen Lernort des Montessori Campus Berlin Köpenick – ins Leben gerufen und weiterentwickelt. Wie haben dich die Erfahrungen und Erlebnisse geprägt?
„Wenn Menschen eigene Entscheidungen treffen können, man ihnen Freiraum lässt, kann eine Entwicklung stattfinden und Dinge werden mit großem Engagement vorangetrieben. Es ist eine Menge möglich, wenn man eine Vision hat und diese auch verfolgt. Das zeigt der Prozess zum Aufbau der Montessori Oberstufe Berlin ganz gut. Wir haben gemeinsam ein Konzept nach Montessori entwickelt, obwohl Montessori zu dieser Altersstufe sehr wenig geschrieben hat. Es gab kein vorgefertigtes Konzept für eine Montessori Oberstufe, das als Grundlage zur Umsetzung dienen konnte. Wir mussten also einen Weg finden, der die Kerngedanken der Montessori-Pädagogik beinhaltet. Gleichzeitig musste das Konzept einen sicheren Weg zum anerkannten Abitur ermöglichen. Oder die Umsetzung des Montessorikonzeptes für die Sekundarstufe – den Erdkinderplan. Hier wird Schule radikal anders – ohne Schule – gedacht, was einige Hürden in der Umsetzung hatte. Das war ein inspirierender Prozess, bei dem ich selbst auch viel gelernt habe.“
„Es ist eine Menge möglich, wenn man eine Vision hat und diese auch verfolgt“
Die letzten Jahre waren intensiv – Digitalisierung und Corona haben sich auch auf die Bildung ausgewirkt. Welche Erfahrungen und Entwicklungen hat die Montessori Stiftung Berlin daraus gezogen und was wird bleiben?
„Die Situation durch die Corona-Pandemie war herausfordernd. Nicht nur für die Kolleg:innen in den Einrichtungen war das eine schwierige Zeit. Vor allem unseren Kindern und Jugendlichen wurde in dieser Zeit viel abverlangt. Die Zeit haben alle mit viel Einsatz und Herzblut gemeistert – viele sind erschöpft. Ich hoffe hier, dass es gelingt, zu einem Normalbetrieb zurückzukehren und die Kräfte wieder zu mobilisieren. Was sicher bleiben wird, sind die Erfahrungen in der Nutzung digitaler Technologien. Damit können wir auch eigene Akzente und Impulse setzen – im Sinne der Montessori-Pädagogik. Montessori hat Technik immerhin auch begrüßt.“
Wie hat sich die Montessori-Pädagogik, speziell in den Einrichtungen der Montessori Stiftung Berlin, in der Zeit weiterentwickelt?
„Gemeinsam mit der Deutschen Montessori Gesellschaft und mit dem Montessori Bundesverband haben wir Konzepte zur Weiterbildung entwickelt. Das ist unser Beitrag zur Weiterentwicklung der Montessori-Pädagogik. Es gab einen intensiven Austausch darüber, wie wir das pädagogische Denken nach Montessori und die Haltung zum Kind bzw. zum Jugendlichen bei den pädagogischen Fach- und Lehrkräften stärken können. Intern sind wir nun auch intensiver im Austausch darüber: Was bedeutet denn Montessori-Pädagogik? Was ist denn Montessori-Qualität? Diese Verständigung und der Austausch ist ein großer Gewinn.“
Was wünschst du dir für die Zukunft der Montessori Stiftung Berlin?
„Ich wünsche mir, dass die Montessori Stiftung Berlin und die dazugehörigen Einrichtungen sowie Projekte in Zukunft noch mehr Unterstützung erfahren und das Engagement der Mitarbeiter:innen der Montessori Stiftung Berlin auch weiterhin dazu führt, jede Herausforderung auch als Chance zu sehen.“